Stephan Maus

Serdar Somuncu: ‘Erdogan tut alles dafür, im Knast zu landen’ (stern)

Herr Somuncu, erklären Sie uns Recep Tayyip Erdogan.

Beginnen wir mit einer Allegorie. Ich mähe gleich Rasen.

Elektrischer Sitzrasenmäher?

Nein, Benzin-Motor. Es muss laut sein und stinken.

Öl, Benzin, Krach: Das muss das proletarische Erbe des Gastarbeiterkindes sein.

Ich liebe Rasenmähen. Bin ich da nicht urdeutsch? Mein größter Feind ist der Maulwurf. Der Maulwurf symbolisiert Erdogan. Er gräbt sich von unten in den deutschen Rasen. Der Rasen ist die Demokratie. Die gewachsene Demokratie. Und er baut sich so einen Gang unter dem Rasen. Zwischendurch kommt er raus, weil er keine Luft mehr bekommt. Ist aber so ein Schisser, dass er sich sofort wieder versteckt.

Ist Erdogan verrückter Diktator oder kluger Stratege?

Erdogan denkt nicht, dass er Diktator ist. Er denkt, er kämpft gegen eine unsichtbare Staatsmacht. Er ist Revolutionär. Er denkt, er sei gerade aus dem Knast rausgekommen und müsste verhindern, wieder reinzukommen. Aber er tut letztendlich alles dafür, dass er irgendwann wieder dort landet. Auch Erdogans Außenpolitik ist so. Er legt sich an mit Putin, er legt sich an mit den Amerikanern, er legt sich an mit Europa. Und in dem Moment, da er merkt, dass er zu weit gegangen ist, zieht er sich zurück und wartet ab.

Welchen Plan verfolgt Erdogan?

Er befürchtet, dass das Referendum zu seinen Ungunsten ausgeht und er die Macht verliert. Er befürchtet, dass die Eliten in der Türkei aufständisch werden. Das würde einen Bürgerkrieg bedeuten. Deswegen aktiviert er seine stärkste Bürgerwehr außerhalb der Türkei, nämlich die in Deutschland und Europa lebenden Türken, um sie auf seine Seite zu ziehen. Dabei riskiert er einen Bürgerkrieg in Deutschland.

Sie übertreiben.

Stellen Sie sich vor, es stirbt nur ein Türke in Deutschland, ein AKP-Anhänger oder ein Nicht-AKP-Anhänger in einem innertürkischen Zwist. Wir hätten in einer Woche Krieg. Erdogan geht ans Limit. Er provoziert, dass die Situation eskaliert.

(Vollständiges Interview auf stern.de)