Unerträgliche Konferenzluft. Die Erbsenzähler aus der Buchhaltung kamen mit den Zahlen. “Europas 100 beste Barbershops” war durchgefallen. Keine 500 verkaufte Bücher. Wieder ein Flop.
Hauke Welflings wurde übel. Sein Imprint “Momentum” entpuppte sich langsam als reine Luftnummer. Schon 3 Jahre war es her, dass “Snœgærd Publishing” seinen kleinen Independent-Verlag geschluckt hatte. 500.000 Euro hatten sie hingelegt.
Und alles, was sie bislang dafür bekommen hatten, war die rauschende Einweihungsparty draußen in den alten Schlachthöfen. Und einen Programmleiter, der nur Flops hinlegte.
Hauke musste liefern.
Er räusperte sich: “In der BILD stand heute was über einen bislang unbekannten Enkel von Ernst Jünger. Uneheliche Linie. Arbeitet als Polizei-Reporter bei einem Lokalblatt in Brandenburg.”
Morten Helgesund legte sein Handy auf den Konferenztisch. Display nach unten. Hauke wusste, jetzt hatte er die Aufmerksamkeit des schwedischen Geschäftsführers.
Er sagte: “Ich schnappe mir diesen Jünger-Enkel und jage ihn durchs Berliner Nachtleben. Auf der Suche nach der Blauen Blume. 3 Tage wach, Stunde der wahren Empfindung, Anti-Bourgeoisie, Blauer Engel, Rausch & Ekstase, die ganze Romantikscheiße. Ich treibe einen traurigen, überreizten Dandy durch Berghain, Grill Royal, Soho-Dings, King Size, was weiß ich. Er trifft auf Start-Up-Fikkefüchse, Baristi, Pilates-Betrüger, Staatssekretäre - der ganze Berlin-Zoo. Jüngers Enkel soll das alles mitstenografieren. Ennui, Tristesse Royale, dem Nichts hinterherzuckende Lenden. In Snapchat-Gewittern. Trostlose Moderne. Falsches Leben, you know. Nach drei Tagen Leere und Verzweiflung in Berlin Babylon fahren wir raus aufs Land. Tiefste deutsche Provinz, Schnellroda. Jüngers Enkel trinkt reine Ziegenmilch im Rittergut, hört Hähne krähen, diskutiert am knisternden Kaminfeuer über Pierre Drieu La Rochelle und findet das Glück in den Armen einer makellosen Kunigunde. Augenblick verweile doch, du bist so schön. Fertig ist der Quickseller. Rohes, schnellles Büchlein, Startauflage 150.000. AfD-Faserland.”
Helgesund nickte zufrieden. Eigentlich hatte er diese Null durch Götz Kubitschek ersetzen wollen. Kein schlechter Verlagsname, “Antaios”. Aber diese eine Chance wollte er dem Loser noch geben.