Überall so schön idyllisch hier. Überall? Bei einer Kajaktour durch den westschwedischen Schärengarten zeigt die Nordsee, dass sie auch ganz anders kann
Selber schuld. Ein Meer lässt sich nicht ungestraft provozieren. Bis zum Beginn des Seekajakkurses ist noch Zeit. Regina vom Kajakcenter in Grundsund führt durch das kleine Fischerdorf rund 100 Kilometer nordwestlich von Göteborg. Alles so idyllisch hier. Die Holzkirche zeugt vom Ursprung allen Wohlstands: Von der Decke hängen Fischerbootmodelle aus sämtlichen Epochen.
Seit dem Mittelalter suchten immer wieder riesige Heringsschwärme den Schärengarten in der Provinz Bohuslän heim. Das Wasser brodelte, im Winter durchbrachen die wimmelnden Fische die Eisdecke. Millionen silberne Bäuche leuchteten aus dem Nass. Salziges Gold. Man holzte alle Bäume ab, zimmerte Heringsfässer. Nackt und kahl wurden die Felsrücken aus Granit und Gneis. So viele Heringe gab es, dass irgendwann das Salz ausging. Also verarbeitete man sie zu Öl, imprägnierte Kleidung und Häuser damit. Europas Metropolen wurden mit Heringsöl beleuchtet. In Paris, London und Berlin funkelten die schwedischen Heringsschwärme weiter.
Kajakkurs vor der Paddeltour
Vor der Kirche erinnert ein Denkmal an ertrunkene Fischer. Sehr viele gingen im 17. Jahrhundert unter, etwas weniger im 18. Jahrhundert, später kaum noch welche. “Je kleiner die Boote, desto mehr Fischer ertranken”, sagt Regina. Ich schaue über Fischerdorf und spiegelglatte See und sage: “Sieht gar nicht so gefährlich aus. Eher wie Bullerbü.” Regina sieht mich wortlos an.