Stephan Maus

Daniel Auteuil: ‘Lassen wir meiner Eitelkeit freien Lauf!’

Cannes, Filmfestspiele 2006, VIP-Terrasse des Nobelhotels „Martinez“. Vom Meer her weht starker Wind. Vielleicht kommt er aus Algerien, wo Auteuil geboren ist. Der Wind trägt das Kreischen von Mädchen herüber, die auf der Croisette Penelope Cruz zujubeln. Die Jungs warten stumm darauf, daß der Wind Penelopes Rock lupft. High Glamour. Auteuil ist in seinem Element. Er schaut sich nach jeder schönen Frau um, die vorbeikommt. Es kommen viele schöne Frauen vorbei. Mit Auteuil macht es richtig Spaß, Mann zu sein. Vielleicht verrät er uns, wie er sie alle herumgekriegt hat: Emmanuelle Béart, Marianne Denancour und all die andern. Ganz vorsichtig herantasten.

In Ihrer Jugend waren Sie Landvermesser. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen diesem mathematischen Beruf und der Schauspielerei?

Es gibt einen Zusammenhang. Das ist dieses Vermessungsdings. Es steht auf einem riesigen Stativ, das dem Kamerastativ ähnelt.

Ich frage, weil ich finde, daß Sie auf eine sehr berechnende Art spielen.

Nein! Das ist ja großartig! Ich habe niemals irgend etwas berechnet!

Ich sehe da all Ihre abgezirkelten Gesten.

Oh nein! Das ist alles purer Instinkt. Ich lese gewöhnlich nicht einmal das Drehbuch! Ich lerne den ganzen Kram erst im letzten Moment.

Sie haben einen fechtenden Haudegen gespielt. Heute tragen Sie die staatliche Auszeichnung „Ritter der feinen Künste und der Literatur“.

Nein! Lassen wir meiner Eitelkeit freien Lauf! Heute bin ich „Offizier des Verdienstordens“!

Vom Haudegen über den Ritter zum Offizier: Noch besser!

Viel besser!

Wo heben Sie den Orden auf?

Bei meiner Mutter.

Der Haudegen hat die Trophäe heimgetragen.

So ist das wohl. Weil der Erfolg … (In diesem Moment schreitet mindestens das neue Bond-Girl, wenn nicht sogar Venus persönlich vorüber.) Schauen Sie! Da kommt gerade ein kleiner Erfolg vorbei! Schauen Sie nur! Sehr hübscher kleiner Erfolg!

Der ist wohl nicht für mich. Vielleicht für Sie?

Für mich auch nicht. Trotzdem: Hübscher kleiner Erfolg, der da vorbeikommt! Erfolg ist das Leben!

Legen Sie Ihre Medaille manchmal an?

Ja! Sie wurde mir letztes Jahr in Cannes verliehen. Ich habe sie den ganzen Tag getragen. Dann habe ich gemerkt, daß man mich deswegen verarscht hat. Da habe ich sie wieder abgelegt.

Ihre Schauspielkunst zeichnet sich durch große Zurückhaltung aus. Haben Sie nicht manchmal Lust zu explodieren?

Doch! Wenn ich entspannt bin, bin ich eigentlich extrovertiert. Dann kann ich große Dummheiten machen. Na ja. Meine dreizehnjährige Tochter hat mir gesagt: Laß dich mal ein bißchen gehen, Papa. Also lasse ich mich ein bißchen gehen.

Haben Sie irgendwelche Requisiten aufgehoben?

Ja. Sie werden sehen, das ist ziemlich phallisch: Das Schwert von Lagardère. Gabors Messer aus „Die Frau auf der Brücke“. Napoleons Hut. Mit Emmanuelle Béart habe ich „Eine französische Frau“ gedreht. Davon habe ich ein Offizierskostüm aufbewahrt. Keine Ahnung, warum.

(Eigentlich klar, warum: Während des Drehs hat er sich von Béart getrennt, die eine Nymphomanin spielt. Eine Uniform hilft, Haltung zu bewahren.)

Haben Sie nicht den Schlüpfer aufbewahrt, den Sie in „Lieben oder Malen“ aus der Sofaritze ziehen?

Nein. Weil er verbrannt ist.

Stimmt! Der ist im Kamin verbrannt! Scheiße! Böse Falle! Noch so ein Journalist, der den Fernseher ausgemacht hat, ohne den Film zuende zu gucken! Dabei ist das eine starke Szene: Der brennende Slip taucht Ihr Gesicht ins Licht der Leidenschaft.

Wir haben Benzin draufgegossen.

Sie haben oft mit Ihren Ehefrauen gedreht. Waren Sie eifersüchtig, wenn Ihre Frauen Liebeszenen mit anderen Männern…

Unerträglich! Unerträglich! Unerträglich! Sage ich Ihnen gleich!

Verstehe.

Ansonsten bin ich eher neidisch als eifersüchtig. Dann bin ich auf das Auto von irgendwem neidisch. Ich will, was andere haben.

Sind Sie auch neidisch auf Erfolg?

Den habe ich doch.

Davon kann man nie genug kriegen.

Meine Träume bewegen sich immer im Bereich meiner Möglichkeiten – außer, was die Frauen anbetrifft. Europa reicht mir.

Was sehen sie, wenn Sie in den Spiegel schauen?

Meinen Vater. Und ich sage mir: Au weia!

Apropos Spiegel: Wer hat Ihnen die Nase gebrochen?

Das war ein Autounfall.

Als guter Paparazzi war ich auf der Jagd nach Prügeleien.

Ich habe mich nie geprügelt.

Nie einen Faustschlag ausgeteilt?

Ich habe mal ein, zwei Ohrfeigen ausgeteilt. An einen Typen, wohlgemerkt. Ich habe große Angst vor körperlicher Auseinandersetzung.

Prima. Dann prügeln wir uns also nicht.

Ach so, doch! Da fällt mir ein! Ich habe einen Rivalen verprügelt!

Einen Rivalen?

Einen Nebenbuhler.

Na also! Wann?

Oh, gar nicht so lange her!

Gestern!

Nein, nein!

Skandal auf der Croisette!

Vor 15 Jahren ungefähr.

Ach so.

Er war sehr stark und ist abgehauen. Weil er sich schuldig gefühlt hat.

Gibt es eine Filmrolle, die Sie gern gehabt hätten?

Eine problematische Rolle, die ich gerne gespielt hätte, wäre die von Bruno Ganz gewesen. Hitler. Hat er verdammt gut gemacht.

Hitlerbärtchen? Würde Ihnen nicht stehen.

Ich habe Napoleon gespielt. Das ist das Gleiche. Ehrlich, das war mutig, Hitler zu spielen.

Drehen wir einfach noch mal! Auteuil spielt Hitler. Der Erbfeind gibt den Führer. Hitler läuft immer gut.

Wir machen es als Musical. Voilà. So machen wir das.

Monsieur, Deutschland braucht Ihre Hilfe anderweitig: Wie haben Sie so viele schöne Frauen rumgekriegt? Helfen Sie den alten Germanen! Wir leiden jenseits des Rheins!

Geschuftet habe ich, sage ich Ihnen! Ich habe malocht! Das ist nicht mit einem Fingerschnipsen gekommen! Glauben Sie mir, das war Sklavenarbeit! Spartacus und ich, wir wären ein gutes Paar gewesen.

Keine Techniken?

Sie müssen schuften! Hängen Sie sich rein! Das ist verdammte Arbeit!

Kein Problem! Wir Deutschen lieben die Plackerei! Aber das kann doch nicht alles sein! Malochen und verführen, das paßt doch nicht!

Nein, das ist natürlich magisch. Quatsch, was rede ich! Magisch! Das ist ein großer Brocken Arbeit! Ehrlich. Ein Riesen Brocken Arbeit!

Hören Sie auf! Arbeit! Sie sind deutscher als ich!

Mag sein! Aber das ist ein großer Brocken Arbeit!

Eine gute Idee, den geheimnisvollen Melancholiker zu geben, um zu verführen?

Ah, das kann sehr hilfreich sein! Aber das ist nicht meine Absicht. Bestimmte Rollen regen einfach zum Träumen an. Wenn ich eklige Schmierlappen in Flip-Flops spielen würde, sähe alles ganz anders aus.

Was läuft besser bei den Frauen: Clown oder Melancholiker?

Normalerweise fängt es mit der Clownsnummer an. Dann wird man vom Gefühl eingeholt und nervt, weil man düster wird. In dem Moment lassen sie einen sitzen.

Erzählen Sie uns von Ihrer Kunst der Trennung.

Zuerst zwei Sachen: Entweder gehen Sie oder Sie werden verlassen.

Eine kartesianische Trennungskunst. Sehr gut.

Es ist einfacher, verlassen zu werden. Natürlich wissen Sie das, schließlich sind Sie schon ein großer Junge. Wenn Sie verlassen werden, haben Sie keine Schuldgefühle. Verlassen zu werden, ist die schönere Rolle. Aber das führt zu einer sirupartigen Gefühlssuppe. Das kann zu einer ziemlich klebrigen Angelegenheit werden. Der wahre Mut, und es sind meist die Frauen, die ihn haben, besteht darin, Schnitte zu setzen. Im Grunde ist die gelungene Trennung … Aber eigentlich sind sie alle gelungen, schließlich ist man nachher nicht mehr zusammen. Es ist immer ein sehr schmerzhafter Akt. Trennungen mag ich am wenigsten. Gleich danach kommen Konflikte. Aber beides gehört zusammen.