“Perry Rhodan” wird 45. Mit einer Auflage von einer Milliarde ist er der erfolgreichste, aber auch heikelste Pulp-Astronaut der Welt. Von Hippie bis Hartz IV - an den Heftchen lässt sich Zeitgeist ablesen
Acht Jahre vor “Appollo” schickte die junge Bundesrepublik ihren Mann ins All. Otto Normalraumfahrer hätte es nie so hoch hinaus geschafft. Nur Amerika verschaffte damals genug Auftrieb, um die Deutschen aus dem mächtigen Magnetfeld ihrer Nierentische zu befreien. Also musste unser Astronaut auf den Namen Perry Rhodan hören. Das klingt so amerikanisch wie John Sinclair, Jerry Cotton oder Freddy Quinn, war aber schon immer urdeutsch - manchmal etwas zu deutsch. Die intergalaktische Vergnügungsoffensive wurde von erfahrenen Profis eingefädelt: 1961 castete der Fachverlag für Buntes aller Art Moewig die Unterhaltungsschriftsteller Walter Ernsting und Karl-Herbert Scheer für die Entwicklung einer Science-Fiction-Heftserie. Beide hatten schon utopische Romane veröffentlicht.
Der Moewig-Verlag wusste, wie man kollektive Sehnsüchte in D-Mark ummünzt: Seit 1957 veröffentlichte er die “Landser”-Heftchen, in denen die Wehrmacht bis heute als ehrenwerte Truppe dargestellt wird. Der ehemalige U-Boot-Ingenieur und Leihbuchautor Scheer wurde schnell der federführende Exposé-Autor der neuen Perry-Serie. Bald setzte ein mehrköpfiges Autorenteam seine Ideen in 60-seitige Geschichten um. Scheer und Ernsting träumten von 50 Folgen. Heute, 2361 Heftchen und rund 150 000 Druckseiten später, steht fest: Mit einer Gesamtauflage von mehr als einer Milliarde verkauften Exemplaren in zahlreichen Ländern ist “Perry Rhodan” die erfolgreichste Science-Fiction-Serie der Welt. Im All hat Deutschland die Weltherrschaft. Die wöchentliche Auflage beträgt 135 000 Hefte. Wäre “Perry Rhodan” ein Buch, stünde es seit Jahrzehnten in den Bestsellerlisten auf Platz eins. Die Abenteuer um den “Erben des Universums” sind der heimliche Bestseller der Nation. Ideologischen Fundamente stammen aus der Mottenkiste völkischer Mythen
In den ersten Weltraumfeldzügen wurde alles weggeblastert, totgelasert und positronisch desintegriert, was in die Reichweite von Perrys Bordkanonen kam. U-Boot-Mann Scheer hatte zwar auf Raumgleiter umgesattelt, war aber leidenschaftlicher Kanonier geblieben. Noch heute wird der Gründungsvater in Fankreisen liebevoll “Handgranaten-Herbert” genannt. Den militaristischen Hintergrund der Romane entschuldigt man mit dem Kalten Krieg. Doch das ist eine Verharmlosung. Seit 45 Jahren fiebern pro Woche Tausende von deutschen Lesern mit dem Weltraum-Landser, dessen Abenteuer im Skandalösen wurzeln: Die ideologischen Fundamente der Weltraumoper - sie stammen aus der Mottenkiste völkischer Mythen.