Der Untergang der “Wilhelm Gustloff” war die größte Schiffskatastrophe aller Zeiten. Das ZDF hat aus dem Drama einen revisionistischen Event-Zweiteiler gemacht
Jetzt gibt es wohl bald jährlich ein Nazikostümfest. 2006 erzählte das ZDF mit der Bombennacht-Schmonzette “Dresden” endlich das Kriegsleid der Deutschen. 2007 erinnerte die ARD mit ihrem Ostpreußen-Melodram “Die Flucht” dann endlich daran, dass auch die Deutschen im Krieg ihr Päckchen zu tragen hatten. Nach der Erinnerungsoffensive zu Boden und in der Luft ist nun wieder das ZDF mit Aufklärung dran, diesmal zu Wasser.
Das Schiffsdrama “Die Gustloff” zeigt, dass auch die Deutschen in ihrem Krieg einiges durchzustehen hatten. Endlich! Brachte Ex-SS-Mann Grass in seiner Gustloff-Novelle “Im Krebsgang” den Opfermythos noch sachte seitwärts voran, überbieten sich inzwischen sogar die Öffentlich- Rechtlichen darin, wer die rührseligsten deutschen Opferschicksale in die Wohnzimmer pumpt. Nationales Selbstmitleid bringt Quote. In diesem Rennen liegt das ZDF nun vorn: Mit dem Zweiten verdrängt sich besser. Das neueste TV-Event sieht aus, als hätte der Bund der Vertriebenen zum Kostümball geladen.
“Die Gustloff” erinnert an die größte Schiffskatastrophe aller Zeiten. Am 30. Januar 1945 versenkte ein russisches U-Boot die “Wilhelm Gustloff”, das Paradeurlaubsschiff der NS-Organisation “Kraft durch Freude”. An Bord befanden sich 1500 Wehrmachtsangehörige und 8800 Zivilisten. Bei der Katastrophe starben mehr als 9000 Menschen – über sechsmal so viele wie beim Untergang der “Titanic”.
Auf dem Weg in den Westen
Die Zehn-Millionen-Euro-Produktion erzählt das Unglück aus der Sicht des Fahrkapitäns Hellmut Kehding, der die Passagiere von Gotenhafen nach Kiel bringen soll. Bei der Einschiffung trifft er seine Jugendliebe Erika Galetschky, die als Marinehelferin arbeitet und mit an Bord kommt. Auf See reißt der militärische Transportleiter, Nazi-Korvettenkapitän Petri, das Kommando an sich. Mysteriöse Funksprüche veranlassen ihn, Positionslichter zu setzen. So wird die “Gustloff” zum leichten Ziel für das russische U-Boot.
Regisseur Joseph Vilsmaier hat das Bild vom Staatsschiff wörtlich genommen und die Schiffskatastrophe als Symbol für das Schicksal Deutschlands inszeniert. “Wir erzählen diesen Untergang als Sinnbild für den Untergang des ganzen Nazi-Regimes”, sagt Drehbuchautor Rainer Berg. Dieses Sinnbild verrät nun viel über das Geschichtsbild der Filmemacher: Die Katastrophe nimmt ihren Lauf, als Petri die “Gustloff” in seine Gewalt bringt. 9000 Menschen werden Opfer eines Wahnsinnigen. In Erinnerung bleibt das Bild einer Masse von einfachen Zivilisten im Schiffsbauch, die von wenigen Irren in Geiselhaft genommen werden. Petri gerät zur Nazi- Karikatur mit Schäferhund, wobei der Vierbeiner überzeugender spielt als der Zweibeiner. Vilsmaier verfolgt die Schönfärbe-Strategie, einzelne Nazis besonders böse zu inszenieren, um den Großteil der Deutschen als ihre Opfer und damit als unschuldig darstellen zu können. So funktioniert Exorzismus: Das Böse fährt als grotesker Teufel aus dem Staatskörper, der in bleicher Unschuld übers Meer treibt.