Normalerweise schreibt der englische Autor Sebastian Faulks nur Hochliteratur. Aber zum 100. Geburtstag des James-Bond-Erfinders Ian Fleming hat er einen neuen Bond-Roman geschrieben. Im Gespräch mit stern-Redakteur Stephan Maus erklärt er den Mythos 007 und verrät, wie er sich den Aston-Martin-Stil angeeignet hat
Eigentlich sind Sie ja Spezialist für schwierige Charaktere und vertrackte Gefühlsverwirrungen. Vor Ihrem Bond-Roman haben Sie über die Entwicklung der Psychologie im Anfang des 20. Jahrhunderts geschrieben. Was meinen Sie: Warum haben gerade Sie die Lizenz zum Schreiben bekommen?
Die Fleming-Familie ist sehr ehrgeizig mit der Bond-Figur. Sie will immer noch mehr Geld damit umsetzen. Man sollte ja denken, dass die sich sagen: Das ist eine Figur, die vor 50 Jahren erfunden wurde. Was hatte sie für ein sensationelles Leben! Was hatten wir für einen Spaß! Aber so denken die nicht. Sie denken: Es wird weitergehen. Also haben sie sich gesagt: Warum versuchen wir nicht, einen seriösen Schriftsteller zu engagieren. Das gäbe ordentlich Furore. Den Bond-Markt würden sie ja sowieso bekommen. So aber bekämen sie auch meinen Markt. Wahrscheinlich haben sie sich auch gedacht, dass ich jemand bin, der sich schon in vielen Epochen bewegt hat. Und schließlich bin ich jemand, der zwar seine Bücher sehr ernst nimmt, sich selbst aber nicht besonders.
Von Ihnen stammt der Satz: “I hate thrillers, they’re just not thrilling.” Was stimmt nicht mit Thrillern und wie haben Sie versucht, das mit Ihrem Bond-Thriller zu korrigieren?
Ich lese nicht viele Thriller. Normalerweise interessiert mich, ob eine Figur eine emotionale Veränderung durchmacht und nicht so sehr, ob die Bombe in Moskau hochgeht oder ob irgendwer den Goldbarren aus Helsinki schmuggelt. Das ist einfach nicht aufregend. Aber es gibt Ausnahmen. Als ich die “Bourne-Identity”-Filme sah, hatte ich ein Gefühl, das ich nicht mehr hatte, seit ich 11 war. Ich war besorgt um diesen jungen Mann. Wird er lebendig da raus kommen? Dieses Gefühl, dass die Hauptfigur in Gefahr ist und dass man sich um sie sorgen muss, habe ich heutzutage sehr selten, jetzt, wo ich so alt und zynisch bin. Das ist ein Kleine-Jungs-Gefühl. Als ich mir die Bond-Romane angeschaut habe, fand ich dieses Gefühl wieder. Bond ist eine sehr verletzliche Figur. Er trägt gewöhnliche Kleidung. Im Gegensatz zu den Filmen gibt es in den Büchern sehr wenig technische Spielereien. Bond wird ständig von größeren Mächten überwältigt. Obwohl man weiß, dass er kein besonders netter Typ ist, will man, dass er gewinnt.
Für Anthony Burgess war Bond einer der großen Mythen des 20. Jahrhunderts. Wie erklären Sie sich die Kraft dieses Mythos’?
In den späten Fünfzigern und Sechzigern war Bond die Antwort auf ein tiefes Bedürfnis in diesem Land. Zu dieser Zeit befand sich Großbritannien in einem schlechten Zustand. Unser Essen war noch immer rationiert, wir hatten wenig Geld. Obwohl wir mit den Amerikanern und Russen zusammen den Krieg gewonnen hatten, war der finanzielle Preis enorm. Außerdem hatten wir den größten Teil unsere Empires verloren. Wir waren ein abgebranntes, regnerisches und graues Land. Und dann kam dieser Bond daher, sprang in Flugzeuge und flog um die Welt - nur wenige Leute flogen zu dieser Zeit. Er isst hervorragend, nicht dieses rationierte, schreckliche englische Essen. Er reist an Orte, wo die Sonne immer scheint. Und alles nur zu Großbritanniens Bestem. In diesen Büchern wirkt Großbritannien immer noch wie ein mächtiges und bedeutendes Land in der Welt.
Das erklärt den englischen, aber nicht den internationalen Erfolg.
Bond zeigt Möglichkeiten auf, wie man als Dilettant mit Witz, Geistesgegenwart und einer Prise Brutalität Widerstände überwinden kann. Eine sehr alte Geschichte. Aber all diese philosophischen Fragen haben mich nicht besonders beschäftigt. Für mich war es mehr eine Schreibübung. Ich habe die Bücher analysiert, versucht zu verstehen, wie sie gemacht sind - und dann habe ich selbst eins gemacht.
Wie würden Sie Flemings Stil beschreiben?
Als journalistisch. Er lernte bei der Nachrichtenagentur Reuters schreiben. Auch ich habe als Nachrichtenreporter gearbeitet. Flemings Sätze sind kurz. Keine Semikolons. Wenig Adverbien, wenig Adjektive. Das alles war für mich einfach nachzuahmen. Schwieriger wurde es bei den Passagen, wo Fleming blumig geworden wäre. Er wird blumig, wenn es daran geht, Maschinen zu beschreiben: Autos, Züge, Flugzeuge. Ich teile Flemings Interesse für Maschinen nicht. Aber ich habe hart gearbeitet, um diesen Aspekt seines Stils zu respektieren.
Was macht den typischen Fleming-Sound aus?
Es gibt bei ihm immer etwas leicht Herablassendes. Fleming lässt den Leser wissen: Ich war an mondänen Orten. Ich weiß, wie man einen Drink bestellt. Ich bin erste Klasse geflogen. Er schaut ein wenig auf den Leser herab. Dieser leicht snobistische Ton war etwas schwieriger zu treffen. Aber nicht sehr schwierig.