Stephan Maus

Kykladen: Im Nacken die Götter, in den Waden Zaziki (stern)

Auf Segelbootplanken übers Meer, im Sattel über griechische Eilande - Inselhüpfen mit dem Fahrrad ist die beste Kombination zweier Fortbewegungsarten. Wer sich dem Wind anvertraut, muss allerdings mit Überraschungen rechnen. Zum Beispiel mit radikalen Kursänderungen

Homers “Odyssee” ist verbesserungsfähig: Dem listigen Kapitän Odysseus fehlten Fahrräder an Bord. Mit ordentlichen 24-Gang-Rädern wären seine Inselkundschafter den menschenfressenden Lästrygonen sicher entkommen. Uralte Olivenbäume hätten den um ihr Leben radelnden Helden ihre knorrigen Arme entgegengestreckt wie jubelnde Zuschauer. Unter der unbarmherzigen Sonne hätten die Kampfesgefährten das schrille Zikadenzirpen mit dem Sirren ihres eigenen Hirns verwechselt, das in der brütenden Hitze langsam ausgetrocknet wäre wie ein Oktopus auf einer Leine vor einer Taverne.

Aber sie hätten es geschafft. Am Hafen hätten sie ihre Räder aufs Zwischendeck gehoben. Anschließend hätte Käpt’n Odysseus sie zu einer Badebucht gesegelt, wo sie ein Bad inmitten fein geschuppter Najaden genommen hätten, während der Schiffskoch kleine Tintenfische mit gehackten Tomaten, Schafskäse und Dill gefüllt hätte. Und so hätten sie schließlich auf dem schattigen Achterdeck zu Mittag gespeist, statt von Giganten verspeist zu werden.

Intensiver als mit Rad und Schiff lässt sich die griechische Inselwelt nicht erfahren. So versammelten sich in der Hafenund Bergbaustadt Lavrio rund 60 Kilometer südlich von Athen 16 Passagiere, zwei Reiseleiter und eine siebenköpfige Crew auf der “MS Panagiota”, um die Kykladen zu erkunden. Der Zweimast-Motorsegler aus dem Jahre 1990 ist sieben Meter breit und 31 Meter lang und hat zehn klimatisierte Kabinen mit französischem Bett, Koje, Dusche und WC. Auf dem Zwischendeck ist Platz für die Räder, die Passagiere können sich auf fünf Ebenen verteilen.

Nach und nach trudelten die Gäste ein und deponierten dicke Kykladen-Reiseführer auf den Holztischen. Doch ausgerechnet auf den Kykladen rührte gerade Poseidon mit seinem Dreizack in der Ägäis. Der Sommerwind Meltemi blies mit Stärke sieben. Bei solcher See darf die “Panagiota” keinen Hafen mehr verlassen - wenn sie ihn denn erreicht.

Der Traum von kargen Inseln

Selbst eine nachmittägliche Opfer-Radtour zum Poseidon-Heiligtum an der südlichsten Spitze des griechischen Mutterlandes, dem Kap Sounion, konnte den Meeresgott nicht besänftigen. Es half nichts, wir mussten eine Alternativreise durch den windgeschützten Saronischen Golf antreten. Noch während des Fluges nach Athen hatten wir von kargen Inseln geträumt, die angetrieben durch reine Windmühlenenergie durch das leuchtende Türkis der Ägäis trieben. Wir wollten zu den Postkarteninseln - und nun ging es in eine Gegend, für die es nicht einmal einen eigenen Reiseführer gibt. Am nächsten Morgen sollten wir zu einer Schiffsreise zur Rückseite der Postkarte aufbrechen. Die Götter hatten es so gewollt. Aber erfährt man das wahre Griechenland nicht am besten, indem man sich der Macht der Götter fügt? Sind sie hier nicht die besten Reiseführer?

(Vollständige Reportage auf stern.de)