Stephan Maus

Wettershows im Fernsehen: Nichts als heiße Luft

Jeden Abend dasselbe: Bei dem beknackten Strömungsfilm oder Begriffen wie “Blumenkohlwolke” möchten viele am liebsten abschalten. Die einstmals informative Wettervorhersage im TV haben Kachelmann & Co. in eine peinliche Extremshow verwandelt. Das muss sich ändern! Ein offener Brief an das Wetter

Sag mal, Wetter, hast Du sie noch alle? Wieso lässt Du Dir eigentlich seit Jahren diesen beknackten “Tagesthemen”-Strömungsfilm gefallen? Was hast Du mit diesem Pfeilschwarm zu schaffen, der aussieht wie ein Haufen außerirdischer Spermien, die meist über die Nordsee kommen und in die Elbe eindringen, wahrscheinlich, um in Hamburg Caren Miosga, Tom Buhrow oder Udo Lindenberg zu befruchten. Wetter, bitte halt jetzt mal kurz den Sabbel und versuch nicht, uns weiszumachen, dieser Strömungsquark habe auch nur das Geringste mit Dir zu tun; diese triebgesteuerten Pfeile verwiesen noch auf etwas anderes als auf die heiße Luft, die Strömungsfilm-Erfinder Kachelmann jeden Abend in unsere gute Stube bläst.

Wetter, früher warst Du besser. Zumindest in den “Tagesthemen”. Da wurde ohne viel Schnickschnack gesagt, ob man Regenschirm oder die Sonnenbrille bereitlegen musste. Vielleicht solltest Du Dir mal klar machen, warum wir uns für Dich interessieren. Es ist nämlich so: Nach einem harten Tag voller Power-Point-Angebereien wollen wir kurz vorm Zubettgehen noch einmal das Unverfälschte sprechen hören. Ohne Filmchen oder Animationen. Wir wollen die Elemente erleben, und zwar ganz elementar. Wir Entfremdeten wollen zurück zu Feuer, Wasser, Sturm und Schlamm. Wir wollen ein donnerndes oder trockenes Machtwort. Nicht vom Abteilungsleiter, sondern von ganz oben. Auch wollen wir davon träumen, dass es noch einen kleinen Winkel unter Gottes Gehrock gibt, der nicht ausgeschlachtet, inszeniert und zu Markte getragen wird.

Würdiges Wetter

Wir wollen keine Wettershow. Wetter, wir wollen dich würdig. Immer öfter aber führst Du Dich auf wie ein Talkshow-Gast, der es nicht fassen kann, dass er es bis in die Glotze geschafft hat. Kann es sein, dass Dich das Fernsehen inzwischen völlig dulle gemacht hat? Wenn Dir schon sabbelig zumute ist, könntest Du wenigstens die Aufmerksamkeit dazu nutzen, etwas politischer zu werden. Du könntest gegen den Privatisierungsfuror wettern. Dem drohst Du nämlich zum Opfer zu fallen.

(Vollständiger Text auf stern.de)