In “Kill Bill” feierte der Schauspieler ein furioses Comeback. Nun starb David Carradine in Bangkok - unter Umständen, die Tarantino nicht greller hätte inszenieren können.
Flirrender Horizont. Ein Mann kommt aus dem Nichts der Wüste. Kwai Chang Caine. Er erreicht eine Wildweststadt und betritt einen Saloon voller saufender Yankees. Er bestellt ein Glas Wasser. Ein Betrunkener stößt sich an seinen asiatischen Gesichtszügen. Ruhig trinkt Caine sein Wasser. Der Goldrausch-Pöbel lacht ihn aus. Und bedroht ihn. Nicht sehr lange. Der Fremde mit dem sanften, aber undurchdringlichen Gesicht hat trainiert. Hart trainiert. In einem Shaolin-Kloster. Den Rüpeln vergeht bald das Lachen.
Mit der TV-Serie “Kung Fu” wurde David Carradine zum Helden der Woodstock-Generation: ein Mann des Friedens in einer vulgären, brutalen Welt im Goldrausch. Gleich in den ersten Minuten der Serie zeigte sich, was Carradine am besten konnte: unter widrigsten Umständen die Würde eines asketischen Renaissancefürsten bewahren. Sein Schauspielhunger war so groß wie Caines Durst nach seiner Wüstendurchquerung. Er nahm alles mit, was sich bot. In seiner langen Hollywoodkarriere spielte er nur wenige Rollen, die nicht das Massenpublikum, sondern die Filmkritik begeisterten: Martin Scorsese engagierte ihn für sein Frühwerk “Boxcar Bertha”, Ingmar Bergman für sein “Schlangenei”.
Mit der Grazie eines Shaolin-Mönches wandelte Carradine durch ein Sammelsurium von Billigproduktionen. Seine gesamte Karriere scheint wie eine Kung-Fu-Prüfung, in der ein sadistischer Abt seinen Schüler dazu anhält, die Klos zu putzen, um seinen Gleichmut zu stählen. Für was übte David Carradine? Es sah ganz so aus, als stürzte er sich immer wieder in neue, noch größere Absurditäten, nur um zu trainieren, wie man mit erhobenem Philosophenschädel durch knietiefe Vulgaritäten watet.
Sympathische Bestie
Dann kam Quentin Tarantino, Meister der Trash-Veredelung. Nachdem er schon aus einem albernen Travolta den schönen, wahren und guten John herauspräpariert hatte, nahm er sich Carradine vor. In seinem Rache- Epos “Kill Bill” machte er aus dem sanften Kung-Fu-Cowboy den Killer Bill. Carradine vollbrachte das Kunststück, unsere Sympathien für dieses Monster zu wecken. Wenn schon Uma Thurman alias “Die Braut” dieser Bestie verfiel, wie sollten wir ihm widerstehen?