Er war der gefährlichste Terrorist der Welt. Über 20 Jahre lang zog Ilich Ramírez Sánchez, genannt “Carlos”, mordend und Bomben legend durch die Welt. Die westlichen Geheimdienste jagten, die östlichen protegierten ihn. Seit 1994 sitzt er in einem französischen Hochsicherheitsgefängnis. Nun gibt es einen Spielfilm über sein Leben. Carlos hat aus seiner Zelle dagegen geklagt. Der stern wollte wissen, warum. So entwickelte sich ein Gespräch über Massenmord, das Gewissen, den Holocaust und die Revolution
Dies ist ein Interview mit einem Massenmörder.
Ilich Ramírez Sánchez, genannt “Carlos, der Schakal”, war bis zu seiner Festnahme 1994 der meistgesuchte Terrorist der Welt. Zur legendären Figur wurde Carlos durch die spektakuläre Opec-Geiselnahme im Jahr 1975. Damals nahm ein Terrorkommando im Wiener Hauptquartier des Ölkartells rund 60 Personen gefangen, darunter elf Ölminister. Die Liste der Anschläge, die Carlos zugeordnet werden, ist lang. Wie viele Menschen genau er umgebracht hat, lässt sich kaum ermitteln, zu undurchsichtig sind seine Verflechtungen mit internationalen Terrornetzwerken. Carlos selbst beziffert im Interview die Opfer seiner Kommandos auf 1500.
Es ist nicht einfach, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis im französischen Poissy. Natürlich darf er keine Interviews führen. So müssen die genauen Umstände dieses Gespräches im Dunkeln bleiben.
Ist der Kontakt erst einmal hergestellt, verläuft das Gespräch selbst unter erschwerenden Bedingungen. Carlos sprich ein hastiges Französisch mit starkem Akzent. Und über jede Frage wacht sein strenger Rechtsbeistand, der immer wieder damit droht, das Interview abzubrechen.
Ein Interview mit einem Massenmörder und Hetzer wie ihm ist eine Zumutung, aber es ist auch ein Zeitdokument. Noch nie gab es Gelegenheit, einen so direkten Eindruck von der Psyche und der Gedankenwelt des ersten global operierenden Terroristen zu bekommen. Sind Carlos` Gedanken ansteckend? Verbreitet man mit dem Abdruck dieses Gesprächs einen Terrorvirus? Wohl kaum. Sichtbar wird vielmehr, was aus einem Mann wird, der seine Ideen und Ideologien höher schätzt als Menschenleben.
Der französische Regisseur Olivier Assayas hat nun ein Meisterwerk über das Leben des Topterroristen gedreht. Sein dokumentarischer Spielfilm “Carlos, der Schakal” war das Ereignis der Filmfestspiele in Cannes. Einer teilt die Begeisterung nicht: der Porträtierte selbst. Carlos versuchte, aus dem Gefängnis heraus gerichtlich gegen den Film vorzugehen - vergebens.
Herr Ramírez Sánchez, was werfen Sie dem Regisseur Olivier Assayas vor?
Hören Sie, man gibt nicht vor, einen biografischen Film gemacht zu haben, wenn alles falsch ist. Assayas ist nicht der Einzige, der einen Film über mich gemacht hat. Und er ist auch nicht der Einzige, der gegen mich ist. Aber das ist hier nicht das Problem. Es gibt historische Fakten, von Hunderten von Zeugen belegt, die absichtlich verfälscht wurden.
Was ist der größte historische Fehler in diesem Film?
Alles, was von der Geiselnahme der Opec in Wien gezeigt wird, ist das Gegenteil von dem, was in Wirklichkeit passiert ist.
Werden Sie doch mal konkret.
Die Art und Weise, wie wir die Geiseln genommen haben. Wir haben nicht wahllos herumgeballert. Schließlich hatten wir viele Freunde unter den Geiseln. Wir hatten kein Interesse daran, dass es Tote gibt.
Erkennen Sie sich in der außergewöhnlichen Schauspielleistung Ihres Landsmannes Edgar Ramírez wieder?
Wirklich in nichts. Der Bursche wird noch Probleme bekommen.
Warum?
Er hat vulgäre Sachen gemacht. Das sieht man sehr ungern bei uns.
Warum vulgär?
Seinen Schwanz zu zeigen. Seinen nackten Arsch. Für nichts und wieder nichts. Nicht notwendig, so etwas.