Stephan Maus

Star-Pianist Lang Lang in 3D im Berliner In-Club Berghain

Am Wochenende fummeln und kopulieren sie in dieser Nische wieder, verschwitzte, zugedröhnte Clubber. Heute liegt hier der erfolgreichste Pianist der Welt auf einer Ledercouch und macht ein Nickerchen. Lang Lang sammelt Kräfte für den ersten Satz von Beethovens Klaviersonate Nr. 23 in f-Moll op. 57. “Appassionata”. Die Leidenschaftliche.

Auf seiner Nase eine verrutschte 3D-Brille. Vor ihm auf dem Kontrollmonitor ist der Starpianist beim Klavierspiel zu beobachten. Betrachtet man die Aufzeichnung ohne 3D-Brille, zerlaufen die Konturen in allen Regenbogenfarben.

Im Berliner “Berghain”, laut New York Times einer der heißesten Clubs der Welt, wird ein 3D-Video mit dem chinesischen Erfolgspianisten gedreht. Chopin wurde schon eingespielt, nach der Drehpause geht es mit Beethoven und Prokofiev weiter. Glitzernde Kameras und Monitore sind mit schwarzen Tüchern abgehängt, damit auf dem glänzenden Klavierlack keine Reflexionen zu sehen sind. Hinter den Tüchern werkeln die Eingeweihten.

3-D-Produktionen sind zurzeit noch Avantgarde. Nur wenige Nerds wissen, wie man mit Hilfe eines stereoskopischen Spezialverfahrens bewegte Bilder mit räumlicher Tiefe erzeugt. Zwei davon sind die japanischen Kameraleute der NHK CosmoMedia aus New York, die extra für diesen Dreh eingeflogen wurden.

Sie haben 3D-Kamera mitgebracht, die ihre Feuertaufe schon bestanden hat: Für James Cameron haben die beiden eine Szene von „Avatar“ nachgedreht, dem erfolgreichsten Film aller Zeiten. In eben jenem Studio, wo auch schon George Lucas „Star Wars“ gedreht hat. Welche Szene sie damals nachgedreht haben? „Die Schlussszene“, sagt der 3D-Spezialist. „Die, wo alles explodiert“.

Für die 3D-Gurus von NHK CosmoMedia ist klar: Der Erfolg von „Avatar“ ist Wegbereiter für einen gigantischen Markt. Die Elektronikkonzerne stecken ihre Claims ab. Schon heute ermöglicht Sony den Besitzern einer Playstation-3-Konsole 3D-Zocken und hat diesen Sommer seinen ersten 3D-Fernseher auf den Markt gebracht. Auch Nintendo hat soeben mit dem 3DS-Handheld den Eintritt in die dritte Dimension angekündigt. Die Abspielgeräte stehen bereit. Was noch fehlt, ist Content.

Der 28-jährige Klavierstar aus China soll nun die neue Technik mit erhabener Kulturaura veredeln und gleichzeitig die jungen Nerds, Gamer und Early Adopter für die E-Musik gewinnen. Denn der Klassik-Markt steckt in einer tiefen Krise. Das Publikum stirbt langsam aus. Immer verzweifelter versucht die Industrie, eine jüngere Zuhörerschaft zu erschließen.

Nach zehn Minuten Tiefschlaf wird Lang Lang von einer Assistentin durch leichten Druck auf den Puls seiner linken Hand geweckt. Vorsichtig, ganz vorsichtig: Beide Hände sind mit Millionen versichert. Lang Lang schüttelt sich und eilt zum Steinway-Flügel, den man auf die Tanzfläche im ersten Stock des kathedralenhohen Lusttempels gehievt hat. Sechs goldene Steinway-Rollen auf rohem Betonfußboden, Lang Lang in Lackschuhen und anthrazitfarbenen Anzug.

“5, 4, 3, 2, 1 – Action!”

Und dann explodiert Lang Lang am Klavier.

Mr. Lang, warum bitte soll man sich jetzt auch noch einen 3-D-Film mit Ihnen anschauen?

(Lesen Sie das vollständige Interview mit Lang Lang im stern vom 03.09.2010 (Heft 36))