Stephan Maus

Stephan Maus, Andrea Ritter: ‘Tour de France. Eine Reise durch Frankreichs Bistrots zum Start der EM’ (stern)

Nächste Woche beginnt in Frankreich die Fußball-Europameisterschaft. Ein stern-Team ist in die Spielorte gereist, um dem Land den Puls zu nehmen. Dort, wo er am lebendigsten schlägt: im Bistro

Frankreich. 246 Käsesorten. Bewohner, deren Widerspenstigkeit weltberühmt ist. Gewerkschaften, die regelmäßig den Alltag lahmlegen. Wie kann man so ein Land verstehen? Wie seine Seele zu fassen bekommen? Wenn überhaupt, dann im Bistro, wo sich die französische Lebensart am besten erkunden lässt – also Tour de France, von Tresen zu Tresen. Allons-y!

Saint-Denis, L’Escargot, die Schnecke, typisch französische Bar Tabac mit Lottolosverkauf, Mittagessen und Sky-Abo. “Wir sind die Kneipe, die am nächsten am Stadion dran ist”, sagt Amar Brahimi stolz, und es stimmt, jenseits der Kreuzung, hinter einem komplizierten Gewirr aus Hochstraßen und Beton, kann man hier am nördlichen Stadtrand von Paris das Stade de France sehen, ein bisschen zumindest, ein Stück der ovalen Dachkonstruktion. Amar arbeitet seit mehr als zehn Jahren im Escargot, eigentlich sollte es nur ein Studentenjob sein, dann blieb er. Auch am 13. November des vergangenen Jahres, dem Tag der Anschläge, stand Amar hinter dem Tresen. “Wir sahen auf dem Bildschirm, was im Stadion passierte, und auf der Straße, wie nach und nach das komplette Viertel abgeriegelt wurde. Überall CRS-Polizei, Soldaten, erst Gerüchte, dann die Gewissheit: Das sind Terroristen.”

Drei Kommandos zogen damals mordend durch die Stadt, am Stade de France sprengten sich drei Attentäter in die Luft. Fast jeder in der Bar kannte jemanden, der gerade im Stadion war, man hatte sich ja nach dem Spiel hier treffen wollen. “Die Stimmung war gespenstisch”, sagt Amar. Niemand durfte vor die Tür, Ausgangssperre. Hatte er Angst? “Damals schon”, sagt Amar. “Aber inzwischen nicht mehr. Wenn wieder etwas passiert, dann sicher nicht hier am Stadion.” Im Grunde hätten die Sicherheitskräfte hervorragend gearbeitet, da ist man sich am Tresen einig. “Man weiß ja, dass die Bedrohung immer präsent ist. Nicht umsonst haben wir seit Jahren Alarmstufe Rot.”

Seit 2014 gelten verschärfte Sicherheitsmaßnahmen wegen “konstanter terroristischer Bedrohung” – und seit dem 13. November herrscht Ausnahmezustand im gesamten Staatsgebiet. Im Escargot braucht man nur aus dem Fenster zu schauen, um zu sehen, was das bedeutet: Samstagabend, die Spezialeinheit CRS fährt in Kolonne vorbei, Militärs patrouillieren durch die Straßen, sie gehören zum staatlichen Terrorabwehrprogramm “Vigipirate”.

(Vollständige Reportage auf stern.de)