Stephan Maus

Monika Sznajderman und Andrzej Stasiuk: Besuch bei einem Paar, das Widerstand leistet (stern)

Das Autoren-Paar Monika Sznajderman und Andrzej Stasiuk aus Polen leistet Widerstand gegen Nationalismus und Geschichtsvergessenheit. Besuch in den Ostkarpaten

Auf dem Warschauer Flughafen stehen fünf junge Männer vor dem riesigen Werbeplakat für den neuen Renault-Geländewagen wie vor einer Klagemauer und wiegen sich im Takt einer inneren Melodie. Die orthodoxen Juden haben die Ärmel ihrer Hemden hochgekrempelt und sich ihre Gebetsriemen um die Arme geschlungen. Die heiligen Texte ruhen in einem schwarzen Kästchen, das vor ihre Stirn gebunden ist. Kurz vor Abflug bleiben ihnen noch einige Minuten, um ihre Gebete zu sprechen.

Sie kommen aus Jerusalem und besuchen ihren Großvater in Krakau. Wichtiges Familientreffen. “Es fühlt sich nicht gut an gerade in Polen”, sagt einer von ihnen. “Sehr viel Antisemitismus.” Die Männer mit ihren Schläfenlocken und den Kippas sind wie eine Erinnerung an eine alte Zeit. Etwa 3,5 Millionen Juden lebten vor dem Holocaust in Polen und prägten die Kultur des Landes. Im Schtetl entwickelten sie ihre ganz eigene Lebensart. Sie lebten am Rande, aber sie lebten. Über drei Millionen von ihnen wurden ermordet, die allermeisten von Deutschen.

Ihr Vater kam aus dem KZ

So geschah es mit der Familie von Monika Sznajderman. Die 58-jährige Schriftstellerin und Verlegerin sitzt im Wohnzimmer ihres Hauses im kleinen Dorf Wolowiec am Rande der Ostkarpaten und erzählt von dem Trauma, das ihr gesamtes Leben überschattet. Neben ihr brütet stumm und grimmig Andrzej Stasiuk, ihr Ehemann und einer der bekanntesten Schriftsteller Polens. Er ist Misanthrop, spricht nicht gern.

Monika sagt: “Ich bin die Tochter eines Holocaust-Überlebenden. Eine der Letzten einer großen jüdischen Familie.” Einige wenige ihrer Verwandten waren in den 20er Jahren ins Ausland emigriert. Die blieben, wurden fast alle ermordet. Von Deutschen, Polen oder Ukrainern. Nur Monikas Vater Marek überlebte. Er wurde 1945 aus dem Konzentrationslager Auschwitz befreit.

Über das Grauen, das er während der Schoah erlebt hatte, verlor er nie ein Wort. Zwischen ihrem sanften, melancholischen Vater und ihr stand das Schweigen über die Gräuel. Monika wusste nicht, woher sie kam. Sie wusste nur: Ihr Vater kam aus dem KZ.

(Vollständige Reportage auf stern.de)