Wir Deutschen meinen, wir hätten die Nachhaltigkeit erfunden und seien Weltmeister im Umweltschutz. Wir denken grün – aber handeln rußschwarz. Weil wir Älteren beim Thema Umweltschutz so gnadenlos versagt haben, hilft nur noch eines: Kinder, macht Druck!
Irgendwie falle ich ja selbst dauernd drauf rein: auf das Trugbild des umweltbewussten Deutschen. Muss an unserer Geschichte liegen. Wieder mal. Aber dieses Mal sind wir die Guten. Endlich mal. Gehören wir nicht seit den 70er Jahren zur Umwelt-Avantgarde? Haben wir nicht das europäische Patent auf das Konzept Turnschuhminister? 50 Jahre Vorkämpfer für Nachhaltigkeit. Wir sind so geil.
Jahrelang haben wir auf unsere europäischen Nachbarn herabgeschaut, weil sie ihren Müll nicht getrennt haben. Bataillone von deutschen Studenten überquerten uralte Grenzwälle, um in ihrer Erasmus-WG ganz neue Wörter ins Spiel zu bringen: “Le Waldsterben, mon amour! Le Saure Regen, mon ami!” Und im Kühlschrank wucherte stumm unser Kombucha-Tee-Pilz.
Was haben wir uns gut gefühlt. Noch heute freuen wir uns, wenn Leonardo Di Caprio in Birkenstocks durch Hollywood schlurft. Herrlich, dieser Öko-Look. Er erinnert uns daran, dass wir die Umweltbewegung ja quasi erfunden haben. Haben wir doch, oder? Aber ganz sicherlich!
Deutsche Romantik und Nachhaltigkeit - das gehört irgendwie zusammen
Hat nicht die legendäre deutsche Romantik das Fundament für Nachhaltigkeit und seelentiefe Waldverbundenheit gelegt? Ist nicht Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff der eigentliche Erfinder der Biotonne? War es nicht Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz, der sich zuerst Sorgen um unseren böse ausgebeuteten Wald machte und 1713 den Begriff “Nachhaltigkeit” überhaupt erst erfand? Und Grünen-Mitgründer und Superkünstler Joseph “Fettecke” Beuys himself war es, der im Jahr 1982 für die Kasseler Documenta 7000 Eichen pflanzte. Und dann: Startbahn West! Castor-Proteste! Hambi bleibt! Wir sind so geil.
Heute fahren wir Biohedonisten mit stolz geblähter Brust in unserem restlos kompostierbaren 12-Zylinder-Hybrid-Hummer zum Altpapiercontainer, um fachgerecht die Reiseabrechnungen unserer letzten Arktiskreuzfahrt zu entsorgen. Und wenn die Kreditkarten-Belege für die Eisbär-Safari auf Svalbard in der metallenen Ablass-Kiste verschwindet, sind wir sicher: Öko ist zu 100 Prozent Made in Germany.
Da wir nun erwiesenermaßen zusammen mit den Gebrüdern Grimm und Jutta Ditfurth die Umweltbewegung erfunden haben, hätten wir ja eigentlich Zeit genug gehabt, all die hehren Ideale auch umzusetzen. Aber wenn’s ums konkrete Umsetzen von Umweltzielen geht, können wir wieder nur Dieselskandal.